Dienstag, 18. Juli 2023

Salzkammergut Trophy 2023

Salzkammergut Trophy 2023 - eine Hitzeschlacht in Oberösterreich - 210km, 7100hm Extreme in jeder Hinsicht!

Nach 2017/18/19 wurde es Zeit mal wieder in Bad Goisern (Österreich) zu starten. Besonders Langzeitfreundin Susi drängte darauf, gefällt ihr dort die riesige Rahmenveranstaltung überaus gut. Nach 3 fachem Finish auf der B-Distanz, in den Jahren zuvor, war auch klar - diesmal wird das ganz dicke Brett gebohrt, die sagen umwobene A-Distanz mit beängstigenden 210km und 7100hm! Wohl jeder ambitionierte Mountainbiker muss sich dieser extremen Distanz einmal in seiner Laufbahn stellen. Die Anmeldung dafür erledigten wir bereits im Januar mit unserer Marathon Man Europe Saisonkarte, einzig ein Regentag hätte unseren Plan durcheinander gebracht, denn uns war schon vorab klar, dass wir nur bei trockenen Bedingungen starten werden. Das Training zuvor wurde nicht auf diese Ultra Distanz umgestellt, wir vertrauten rein auf unsere Erfahrung und ein solides Pacing.
Bereits bei der Startnummernausgabe prangte über dem Zugangsportal der unmissverständliche Spruch "Einmal Hölle und Zurück" - spätestens hier sollte jeder die Richtung haben...
Bevor man allerdings seine Startnummer bekommt, muss jeder Teilnehmer der Extrem-Distanz zum Bike-Check, eine Art Material-Tauglichkeitsprüfung - bisher für uns auch einmalig.

Der Startschuss von dem wohl extremsten 1 Tages Rennen in Europa, fällt immer pünktlich 5 Uhr morgens, dementsprechend zeitig horchten wir am Vorabend an der Matratze. Mein Wecker klingelte bereits 2 Uhr Nachts zum ersten Mal, Zeit für ein erstes Frühstück. Auf der Bettkante sitzend fanden 200 Gramm meiner vorbereiteten Müslimischung den Weg in meinen Bauch, um anschließend nochmal bis 3.35 Uhr zu schlummern, wo ein nochmaliges Nachschieben von 2 kleinen Kaiserbrötchen folgte. Meine größten Bedenken zuvor galt dem Sitzbereich, so rechnete ich mit etwa 12 Stunden Renndauer und einer daraus resultierenden extremen Belastung für mein Hinterteil... mit Bedacht wählte ich die Hose aus und nutzte weit über der gebräuchlichen Menge Gesäßcreme, um allen Eventualitäten vorzubeugen - Vorsorge statt Nachsorge! So präpariert rollten Eric, Susi und ich 4.25 Uhr noch in der Dunkelheit Richtung Start. Die Temperaturen schon jetzt 17 Grad und der Wetterbericht sollte recht behalten mit den prognostizierten 36 Grad und Sonne pur! Das genau dieser Hochsommertag mir in die Karten spielen wird, war mir schon vorab klar, läuft mein Motor erfahrungsgemäß erst oberhalb von 25 Grad richtig rund. Bei Eric ist das leider genau gegensätzlich, er ist der Typ "10 Grad und Nieselregen". Aufgrund meiner 2019 erreichten top 20 Platzierung der Marathon Distanz, durfte ich mich im "Pre-Race-Block" einfinden und folglich ganz vorn mit starten, Eric musste sich leider ganz hinten anstellen und hatte so bereits eine unglückliche Ausgangsposition.

Der Startschuss fiel und die 600 Starter setzten sich in Bewegung, die Profis vorn ließen sich nicht lange bitten und hämmerten mit höllen Tempo in den ersten Anstieg. Mein Blick heute galt aber einzig und allein den Wattzahlen in meinem Garmin Computer. Wie so oft überholten mich anfänglich recht viele Fahrer, ein stabiles Mindset ließ mich aber mein eigenes Tempo durchziehen. Der erste Anstieg zum Hochmuth war schnell absolviert und ich befand mich etwa um Position 50. Die folgende Abfahrt war recht schnell und ich konnte bereits die ersten Fahrer einsammeln, nun begann ab Bad Goisern der lange Anstieg zum Raschberg und anschließend zur Hütteneckalm, wo meine Susi mit den heute so wichtigen Trinkflaschen wartete. Am Fuße der Auffahrt überholte mich eine 6 köpfige Gruppe im Wiegetritt, in voller Attacke nagelten sie in den Hang, ich bewahrte einen kühlen Kopf... mir war klar, dass ich alle wieder sehen werde! Tatsächlich dauerte es nicht lang und ich konnte einen nach dem anderen wieder einsammeln. An der Hütteneckalm angelangt, verpflegte mich Susi vorbildlich, bereits hier attestierte sie mir Platz 40. Es folgte die Durchfahrt der Ewigen Wand und ich genoss kurz den traumhaften Ausblick! Etwa alle 20km folgten Verpflegungspunkte auf der Strecke, ab hier fuhr ich jeden Punkt an, füllte meine Flaschen mit Iso und trank ein paar Becher Redbull - ohne Treibstoff läuft halt kein Motor. Die Abfahrten machten Spaß und waren zum Teil auch technisch anspruchsvoll, ich fuhr aber auch hier defensiv, um Platten respektive Materialschäden zu vermeiden, aufgrund der Trockenheit war auch fast alles ohne Gefahr fahrbar.

Weiterhin fuhren wir über Bad Ischl, erneut Hochmuth und hinunter nach Görb, ab hier folgte eine etwa 20km Flachpassage um den Hallstättersee, ich stieß ab dort immer wieder auf Teilnehmer der B-Distanz und erhoffte mir ein schnelles Hinterrad. Dem war leider nicht so, sodass ich die Initiative ergriff und selbst vorn fuhr. Nun wartet der Scharfrichter des Tages, der Anstieg zum Salzberg, kurz oberhalb der Talstation wartet Susi und überraschte mich mit der Nachricht über den Platz 21, sie übergab mir erneut 2 Trinkflaschen und 6 Gels. Ich reihte mich auf dem unteren schmalen Serpentinen Stück in eine Reihe B-Distanzler ein und konnte einfach nur mitschwimmen. Einer nach dem anderen kapitulierte und so hatte ich erst ab kurz unterhalb der Gipfelstation freie Fahrt. Als dann das steilste Stück mit 35 % Steigung folgte, gab es zwei Möglichkeiten: durchkneten oder schieben. Beides schlecht, ich entschied mich aber fürs schieben, kann man auf derart steilen Geläuf kaum laufen und auch die Radschuhe sind der Sache absolut nicht dienlich. Die Sonne lag hier voll auf dem Hang, kein Lüftchen in der Luft und ich fühlte mich wie ein Gummiadler im Hähnchengrill. Unvorstellbare Mengen Schweiß setzte mein Körper frei, mein Garmin attestierte mir hier im Nachhinein 37,5 Grad! Überglücklich stürzte ich mich in die schnelle Abfahrt, der Fahrtwind kühlte angenehm, leider nicht lange, es folgte der ewige Anstieg zur Roßalm.

Bereits am Fuße des Berges überraschte mich Übelkeit, die Beine wollten auch nicht mehr wie geplant drehen. Hatte ich mir am Salzberg offensichtlich ordentlich die Laterne ausgetreten. Ich quälte mich erstmals an diesem Tag einen Anstieg hinauf, das Treten wurde zäh! Spätestens da kam die Frage auf, warum ich das hier eigentlich mache? Um es mir selbst zu beweisen? Um anderen etwas zu beweisen? Weil ich es kann? Oder damit ich im hohen Alter mal meinen Kindern, Enkeln und Urenkeln erzählen kann, was ich für ein verrückter Hund war?! Die Antwort liegt wahrscheinlich irgendwo in der Mitte, der Berg war dann doch zu kurz, um die richtige Antwort zu erörtern. Die Verpflegungsstelle auf dem Gipfel nahm ich dann dankend an und füllte ordentlich Redbull in den geschundenen Körper. Die folgende lange Abfahrt nutzte ich nochmals zum regenerieren und so ging es in den letzten langen knapp 600hm umfassenden Anstieg des Tages, immer wieder sammelte ich Fahrer der A-Distanz ein, dass motivierte und mir war bewusst, dass dies ein super Ergebnis wird. Ab Gosau ging es dann überwiegend bergab Richtung Ziel in Bad Goisern. Der Zieleinlauf dort ist immer etwas ganz besonderes, derart viele sportbegeisterte Menschen kennt man sonst nur aus dem TV.

Im Ziel überbrachte Susi mir dann die überaus freudige Nachricht von Platz 15 Gesamt und Platz 7 in der Altersklasse in einer Zeit von 10h52min! Damit hätte ich vorab nie gerechnet, passte dieser wahnsinnig heiße Sommertag aber genau zu meinem persönlichen Wohlfühl-Temperaturfenster.

Eric erwischte es hingegen eher suboptimal, wie zu erwarten, setzten ihm die extremen Temperaturen sehr zu. So hatte er ab km 100, trotz Zugabe von reichlich Salz, mit Krämpfen zu kämpfen und so mussten die sportlichen Ambitionen hinten angestellt werden, da Eric bekanntermaßen aber ein harter Hund ist, knetete er trotzdem durch und finishte die Ultra Distanz als 144! Unter den gegebenen Bedingungen ebenfalls beachtlich!

Die überdurchschnittliche Belastung merkten wir selbst 2 Tage später noch, wir hoffen dies nun mit einer guten Kompensation als Formaufschwung nutzen zu können, um am ersten Augustwochenende beim Erzgebirgs Bike Marathon in Seiffen maximal performen zu können.

Fakten am Rande:
- 9,1 Liter errechneter Schweißverlust
- 9100 verbrauchte Kalorien während des Rennens!
- 600 Starter - 332 Finisher - 45% Ausfallquote