Donnerstag, 7. Juli 2022

Transalp 2022 Etappe 5 Kaltern - San Martino 94km 2540hm

Der gestrige Abend in Kaltern verlief relaxt, wir besuchten das Freibad am See und genossen unsere freie Zeit. Die Temperaturen waren sommerlich heiß, lange zeigte das Thermometer über 30 Grad an. Zwei meiner engsten Kollegen, (Grüße gehen hiermit raus) fahren fast jährlich in dieses schöne Städtchen... kann ich verstehen!
 
Der abendliche Besuch der Ortsansässigen Pizzera war obligatorisch, zeitig verschwanden wir aber wieder Richtung Unterkunft um Körper und Geist die benötigte Ruhe und Regenerationszeit zu geben. Ich kann mich nicht erinnern wann ich das letzte mal 21 Uhr im Bett lag und bereit zum Bubu machen war. Eigentlich war es viel zu warm in unserem Zimmer um schlafen zu können. Der Live Sängerin im Nachbarhotel gelang jedoch das unmögliche - sie sang mich bei offenem Fenster in den Schlaf!

Der Startbereich lag etwa 300hm oberhalb unserer Unterkunft und wir wurden per Shuttlebus 7 Uhr zum Startbereich gefahren. Die Räder standen im Bikedepot unmittelbar am Startbereich, langsam gewöhne ich mich daran das Fahrrad außerhalb nächtigen zu lassen ;-). Der Startblock war wieder Premium sodass wir ganz ganz entspannt in das Rennen starten konnten.

9 Uhr Startschuss, es ging ungefähr 300 Tiefenmeter und 18!!! Km neutralisiert hinter Führungsfahrzeugen her. Zwei Kreisverkehre und fünf Kreuzungen mischten das Fahrerfeld komplett, es wurde aber halbwegs gesittet gefahren. Der Anstieg begann, erst auf Asphalt kurz durch ein Bergdorf, dann auf typisch italienischen Steinplattenwegen um schließlich auf eine alte Bahntrasse zu gelangen. Auf dieser wir etliche Kilometer fuhren, der Anstieg war Bahnstrecken typisch moderat jedoch mit so viel Steigung das alleine der Windschatten, in dem Eric fuhr, nicht ganz genügte. Ich fuhr von vorn und wir fuhren taktisch klug, Gruppe um Gruppe holten wir uns. An der Spitze einer etwa 15 Mann starken Gruppe fahrend, wählte ich einen falschen Abzweig - merkte den Fehler jedoch sofort... der Schwung war weg und wir stellten uns wieder hinten an, das Tempo schlief langsam ein und so überholten wir wieder das komplette Gruppetto und ich hielt die Nase kräftig in den Wind. So waren die in Summe 900hm recht zügig abgearbeitet, kurz vorm Kulminationspunkt noch paar taktische Antritte um eine kleine Lücke nach hinten zu reißen. So konnten wir es zu zweit im Downhill ordentlich fliegen lassen! Beginnend auf einem sich schlängelnden Radweg, dann auf Trails durch den Wald. Ich entdeckte ein Scott Generation Trikot vor uns fahrend, zügig schlossen wir auf und gingen gemeinsam mit noch mehreren Fahrern in einen schmalen Trail unmittelbar neben einem Fluss. Plötzlich tauchten Steinabsätze vor uns auf, ca einen halben Meter tief - nichts wildes war ich aber nicht drauf eingestellt. Anscheinend ging es mehreren so, lag doch ein Rad gar im Bach. Der vor uns fahrende T.M. vom Scott Generation Team 2 erwischte in dieser Sektion ebenso einen Stein unglücklich - Durchschlag - Plattfuß.

Die Abfahrt war beendet, nun begann wieder eine ca 20km lange Drückerpassage auf asphaltierten Radwegen. Genau mein Ding! Wir erreichten schnell eine Gruppe und rollten gemeinsam Tal aufwärts, kurze Absprache mit Rudi. Die Verpflegungszone war etwa in Mitte der der langen Drückerpassage und bis dahin noch etwa 5 km zu fahren. Eric gab mir wieder seine mit Pulver vorbereitete Flasche, das Tempo schlief ein und ich latschte in einem taktisch klugen Moment ordentlich drauf um Vorsprung raus zu fahren. Auf solch flacher Strecke, ganz allein, sicher nicht die hellste Entscheidung aber ich hatte Bock zum spielen. Die Feedzone erreicht, füllte ich unsere Flaschen und beobachtete wo mein Rudi kommt. Der Plan war wie immer - ich halte an, Rudi fährt Vollgas durch. Irgendwie bekam ich nicht mit das Eric vorbei war, es kam zu meiner Verwunderung auch kein komischer Spruch o.ä.. ich war verunsichert wo er steckt, ist er schon vorbei oder hatte er vielleicht Platten??? Fragen über Fragen kreisten durch meinen Kopf, ich fuhr los und erreichte schnell eine Gruppe. Ich verhielt mich unauffällig im Windschatten und hielt Ausschau nach vorn und hinten, kein Rudi zu sehen. Ich ließ mich zurückfallen und fragte in der Gruppe hinter mir nach einem Bärtigen Mann in selbigen Leibchen. Keiner wusste was, ich ließ mich weiter zurück fallen. An einem kleinen Wiesenabschnitt hielt ich an und ließ Wasser, nach genau 1 Minute Standzeit kam das Generation Team von hinten - ich fragte nach Eric - nix gesehen, muss vor uns sein meinten sie.

Ich war verunsichert, hatte ich doch Rudi's Flasche im Trikot, nicht das er jetzt auf dem trockenen sitzt und Kolbenfresser erleidet. Meine Entscheidung war gefallen, ich setzte alles auf eine Karte und fuhr mit dem Team Scott Generation 2 weiter. Mit dieser Entscheidung war für mich aber auch klar, wenn Eric nun wirklich vor mir ist, hat er erheblichen Vorsprung! Ich Schwung ordentlich die Keule und legte etwa mein persönliches Renntempo an, die Beine waren sehr willig und so bügelte ich im Alleingang Gruppe um Gruppe nieder, keiner machte Anstalten dran zu bleiben.

Die Flachpassage war zuende und der Spaß am Berg begann, etwa 1200hm am Stück, ich konnte weiterhin Fahrer überholen, zu Beginn des Anstieges kam eine Hängebrücke welche überquert werden musste, ein Vater stand mit seinem Sohn mittig auf der Brücke... vorbei fahren keine Chance, ich fuhr bis ran, bemerkte aber sofort ihre Unsicherheit. Als ich mit dem Fahrrad nun selbst mittig auf dieser stand, merkte ich erst wie stark die Brücke schaukelte. Ich ließ die 2 langsam überqueren bevor es für mich weiter ging. Auf einen kurzen Uphill Trail folgten breite Waldwege, in der Ferne machte ich eine Gruppe aus. Zügig gelang mir das aufschließen und das beste dabei, mein Rudi mitten drin! Mir viel ein Stein von Herzen!

Feedzone Nummer 2 kam näher, wir tauschten Flaschen und ich fuhr vor. Wie jeden Tag freute ich mich auf die Vogtländer, der gleiche Ablauf wie jeden Tag - Flaschen füllen - kurzer smalltalk - Rudi kommt - weiter geht's. Im vorbeifahren bestellt er noch Melone bei mir, natürlich wird auch dieser Wunsch erfüllt! Der Schotterweg Richtung Berge war gut mit Wanderen gefüllt, stellte dies aber kein Problem dar der Weg war breit genug für alle. Wenig später erschloss mir warum dort so viele Touristen wandern, der Passo Rolle mit dem Gipfel Baita Segantini auf 2183 m und seinem darum liegenden Bergpanorama baute sich gigantisch vor uns auf. Eine unglaubliche Kulisse! Traumhaft! Fotografen waren vor Ort um uns vor dieser Bergkette abzulichten... ich hoffe auf diesem Film war noch Platz für uns!

Die Steigung und Beschaffenheit der Wege wäre optimal gewesen um unsere Ochsenkarrentechnik umzusetzen, merkte ich aber erstmalig zu dieser Transalp leichte Laktatbildung in den Oberschenkel - die Aufholjagd machte sich bemerkbar! Lediglich Windschatten konnte ich jetzt Rudi bieten. In der Ferne entdeckte ich die Trikots um Team Scott Generation 1, auch dort gelang es uns aufzuschließen. Kurze Sächsische plauderei unter uns, sammelten wir noch gemeinsam Höhenmetern. Als doch tatsächlich das Generation Team ca. 200hm vor dem Gipfel des Baita Segantini zur Attacke ansetzt! Ich gab Rudi sofort Zeichen das er zu meiner Trikottasche greifen soll, ich wollte unbedingt dran bleiben. Ich mobilisierte nochmal alles was da war - nach Aufholjagd, 5 Etappen Transalp und auf mittlerweile 2000müN. Mit Sternen in den Augen schoss ich mich die letzten Höhenmetern komplett ins Orbit aber wir sind zu 4. über den Scheitelpunkt gekommen! In nun greifbarer Nähe erschien ein weiteres 2er Team vor uns. Die Schotterabfahrt begann, das dass Team Generation Downhill kann, ist in Fachkreisen bekannt. Das wir "Ganzjahresrollefahrer" im Downhill aber auch ein gutes Wörtchen mitreden können kristallisierte sich schon die vergangenen Etappen heraus! In Sichtweite ein weiteres unbekanntes 2er Herren Team war sehr schnell ein-/ und überholt, gemeinsam mit Scott Generation 1 fuhren wir wieder Anschlag dort hinab. Ich als letzter musste wieder zuschauen wie 3 kaputte vor mir im Valentino Rossi Style mit Fuß vom Pedal quer in die Kurve rein sliden. Ihr macht euch kein Bild was dort abgeht! Es war der Zieldownhill keiner wollte nachgeben, wieder wurde die Brechstange ausgepackt.

Ein Stück Asphalt welches gerade aus ging vor uns, alle 4 dicht zusammen gab mir Rudi ein Zeichen zum durchladen, ließ ich mich nicht lang bitten und überholte von hinten, eine kleine Lücke sprang auf. Die Straße ging in Serpentinen über und unser Vorsprung schnell wieder weg. Ich von vorn, deutet ein Streckenposten einen Traildownhill an, wählte ich aber eine schlechte Linie und schon kamen die 3 vorbei geschossen. Im Höllentempo schossen wir den Trail hinunter, ich hatte aufgrund meiner Linie eine Lücke von ca 100m nach vorn und konnte diese im Downhill auch nicht zu fahren. Kleine Sprünge und immer wieder spitze Steine auf der Ideallinie, jetzt ein Platten wäre Katastrophe. Wir nagelten im Gruppetto San Martino rein, des Höhenprofil deutete auf einen kurzen letzten Zielanstieg hin. Rudi vorn, die zwei Generation Fahrer, hinten ich ging es in den sehr kurzen Zielberg... einen dicken Gang aufgelegt und nochmal im Sprint alles was da war aufs Pedal gepresst! Am Streckenrad tobten die Leute, der Scott Mechaniker Trupp feuerte IHR Team an und mir gelang es auf letzter Rille mit ordentlich Watt am Pedal um Haaresbreite vorbei zu ziehen! Der geilste Zieleinlauf bisher! Wir freuten uns riesig!!!

Ein faires Abklatschen mit den Scott Jungs im Anschluss ist selbstverständlich! Das ist Sport!
Tagesplatz 9 beschert uns morgen wieder einen entspannten Start.
Morgen ist Queenstage - die längste Etappe - wir sind heiß drauf!
 
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