Sonntag, 19. Oktober 2025

Brasil Ride Bahia Etappe 1

Die Tage vor dem ersten Renntag vergingen wie im Flug, der Tagesablauf eigentlich immer ähnlich Frühstücken - Biken - Mittag - Chillen - Sightseeing - Abendbrot - schlafen.
Eine gewisse Akklimatisierung an die doch recht warmen/feuchten Bedingungen könnte man sich einreden, hält sich dann aber trotz allen Bemühungen in Grenzen, wir Mitteleuropäer laufen hier einfach bei jeder kleinsten Beanspruchung unweigerlich aus. 

Ab Freitag vor Rennbeginn merkte man deutlich, dass die Stadt Arraial da Ajuda, wo auch unsere Unterkunft ist, von den Radfahrern geflutet wurde. Endlich gab's auch andere Radverrückte und damit stieg auch die Personenzahl der potenziell Englisch sprechenden. Meist sieht man schon im zivilen Outfit, wer Radfahrer ist und grüßt sich gegenseitig mit großer Freude, generell ein sehr freundliches Völkchen hier muss man sagen!
Bei einer Flanier-Runde im Städtchen entdeckten wir dann auch schnell die ersten "fliegenden" Ersatzteilhändler, beim Blick auf den Teiletisch mit den aufgeklebten Preisschildern fiel uns dann erstmal die Kinnlade runter, wirklich utopische Summen werden für Ersatz- und Verschleißteile aufgerufen, sodass man nur hoffen kann, dass nichts kaputt geht und/oder unsere mitgebrachten Teile genügen. Andernfalls müsste ich wahrscheinlich erstmal bei der Sparkasse in FG anrufen und das Kreditkartenlimit etwas optimieren... Das Ganze kommt aufgrund von extremer Besteuerung seitens der brasilianischen Führung zustande. Solche Fahrräder und Teile zählen als Luxus und werden entsprechend beaufschlagt. Ein ganzes Fahrrad kostet hier schnell so viel wie zuhause ein Kleinwagen, folglich floriert hier das Geschäft auch mit gebrauchten Bikes. So wie wir nun herausgefunden haben, kommen viele mit einem neuen Fahrrad hierher, dürfen aufgrund der Rennteilnahme ohne zu versteuern einreisen, fahren das Rennen zu Ende und verkaufen das Rad danach direkt gegen Cash in Dollar/Euro hier vor Ort. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sogar über dem Preis, welcher beispielsweise in Deutschland dafür neu gezahlt wurde. Hätte man das nur eher gewusst... 

Weiterhin hat sich auch unsere sehr schöne Unterkunft mit Radfahrern gefüllt, ein Bike neuer als das Andere. Specialized scheint hier mit Abstand die größte Lobby zu haben, ist dies schließlich auch eine amerikanische Marke. Aber auch Randmarken und Exoten sind dabei, fast alle aber von neuestem Produktionsdatum. Wird es bei mir vielleicht doch Zeit mit einer Neuanschaffung? Sicherlich ist mein Bike eins der ältesten hier, was ich bisher überblicken konnte. Vielleicht liest ja durch Zufall ein Radladen mit, welcher Bock hat, ein aktuelles Rahmenset/Komplettrad (oder zwei, Rudi wechselt immer, je nach aktueller Modefarbe) zu einem attraktiven Kurs anzubieten, um vielleicht bei einem unserer folgenden Reisen mit auf dem Titelbild unseres Vortrags zu erscheinen :-). Ich bin über die bekannten Wege erreichbar. 

Wie es sich gehört, absolvierte ich gestern, also Samstagvormittag, eine kleine Vorbelastung, um dem Körper die Richtung zu geben. Viele Radfahrer waren nun schon unterwegs und bereiteten sich vor. Eric blieb in der Unterkunft, er hatte Rücken, dieses Problem löste sich aber glücklicherweise im Verlaufe des Tages etwas.

Die Startnummernausgabe ab Samstagmittag im Uiki Beach Club war super professionell und durchorganisiert. Im Starterpaket enthalten waren: eine große Reisetasche (mit Startnummer personalisiert), Waschbeutel, T-Shirt, Trikot, Basecap und 7 Gels. Zusätzlich erwerben konnte man einen Radservice, nach erstmalig längerem Überlegen haben wir uns dagegen entschieden, wir wollen wenn möglich selber waschen und schrauben. Weiterhin bestand die Möglichkeit zum vorabbezahlten Fotoservice, welchen ich gebucht habe, um in Voraussicht auf die nächsten Vorträge vorzusorgen. Beim anschließenden Besuch des Merchandising-Stores, in unmittelbarer Strandnähe, wurde uns dann wieder ziemlich schnell klar, wie unser Körper bei der hoch stehenden Mittagssonne und den damit verbundenen subtropischen Bedingungen reagiert, wir schwitzen beim Shoppen – unvorstellbar. Der restliche Tag war dann geprägt von Rennvorbereitung, Sachen zurechtlegen und entspannen am Pool.

Die Nacht verlief ganz gut, wenn man bedenkt, dass die Bässe der anscheinend unweit entfernten Diskotheken bis ins Morgengrauen wummerten. Bin ich bekanntermaßen großer Fan von solch Pressluft-Tanztempeln, aber hier ging es mir wirklich etwas auf den Keks – gegen 5:40 Uhr kam dann die Erlösung durch den Wecker.
Das Frühstück heute im liebevoll angerichteten Lunchpaket-Stil ließ etwas Ferienlagerstimmung aufkommen und schon rollten wir Richtung Start. Erics immer noch vorhandene Rückenverspannungen hielten ihn nicht ab, im etwas unübersichtlichen Startbereich nach der ersten Startreihe in unserem Startblock zu suchen. Leider vergeblich, hier herrschte etwas Chaos, noch dazu wurde jede Mikrofon-Durchsage ausschließlich in Portugiesisch gesprochen. Da hilft dann auch der 900-Tage-Englisch-Streak auf Duolingo nicht weiter. 

Der Startschuss fiel dann pünktlich 8:15 Uhr und wie zu erwarten, schossen die mit Temperament geladenen Brasilianer um uns herum los, als würde schon Einer sichtbar mit der Zielflagge winken. Wir fuhren ebenfalls für unsere Verhältnisse recht sportlich los, der Wattmesser zeigte relativ lange Werte, welche dort eigentlich nicht stehen sollten, aber klar war auch, in den ersten 11 km Gravelroad müssen wir weit vorn sein, um im Trail möglichst freie Fahrt zu haben. Die Sonne brannte erbarmungslos, wir schwitzten aus jeder Pore und der Plan ging so semigut auf, auch die Konkurrenz hat trainiert und demzufolge ordentlich Bumms auf dem Pedal.
Somit waren wir in einer Art brasilianischem Sandwich gefangen auf den nicht enden wollenden Singletrails um Urwald. Die Jungs hinter uns haben wir glücklicherweise abhängen können, aber nach vorn war kein Vorbeikommen. Auf der einen Seite ganz gut, fährt man so nicht letzte Rille und kann die flowigen Trails mehr genießen, zum anderen lässt man natürlich ordentlich Zeit liegen. Es dauert lange, bis die Überholspur frei war, diese nutzten wir dann aber sofort! Es ging durch abgelegene Dörfer, welche womöglich abseits des Rennens kein Tourist zu Gesicht bekommt, leider konnten wir aber nur wenige Blicke abseits der Piste riskieren. Immer wieder freudige Kindergruppen am Wegesrand mit leuchtenden Augen, die mit dieser Veranstaltung sicher ihr Jahreshighlight erlebten. Weiter durch Plantagen und Anbaugebiete, wo mir nicht immer klar war, welche Südfrüchte an welchem Busch wachsen, eins erkannte ich aber sofort und das werde ich wohl nie vergessen, es ging durch eine Kakao-Plantage, wo diese doch recht imposanten Früchte noch ungeerntet zahlreich die Pflanzen zierten. 

Die Topographie ist hier ähnlich wie zuhause und die Länge der Anstiege ist vergleichbar mit denen von Freiberg, jedoch gibt es hier auch immer wieder größere Stücke, wo es topfebenen ist. In einem der längeren Anstiege hier auf Beton kam ich mir vor wie gefangen im Backofen mit angeschalteter Ober-/Unterhitze bei aktivierter Umluft. Das Trinken wird hier wichtiger und essenzieller denn je, drum sind wir mit halb vollem Trinkrucksack gestartet und 1,5 Liter Iso am Fahrrad, das war bis zur Verpflegung bei km 30 auch bitter nötig, hier füllten wir unsere Flaschen und schossen Richtung Ziel. Das Fahrerfeld lichtete sich und wir kassierten immer wieder Teilnehmer ein, besonders auf den Gravelroads können wir glänzen, dort ist reichlich Platz zum Überholen und nur wenige können länger unserem Tempodiktat folgen. An neuralgischen Streckenabschnitten fanden sicher immer wieder Schaulustige ein und feierten die Meute ähnlich dem Alp de Wettin beim Erzgebirgs-Bike-Marathon in Seiffen. Einigen fällt dabei sogar unsere Deutschlandfahne auf der Startnummerntafel auf und feiert uns gefühlt doppelt! Auf den letzten 5 km war dann der Wunsch nach dem Ziel doch recht groß, unsere Körper ausgelaugt von den klimatischen Bedingungen ließen wir trotzdem nichts unversucht, noch ein paar Plätze gut zu machen. Dies gelang uns auch recht eindrucksvoll, denn im Ziel attestierte Rudi uns dann den 7. Platz in der Amateurklasse Open Man!

Die Zielverpflegung und Herzlichkeit der Brasilianer lässt keine Wünsche offen, mehrere Dosen Cola, Teller Pasta und Stücke Pizza in toller Beachbar-Atmosphäre läuteten eine gute Regeneration ein! Das anschließende Fahrrad-, Klamotten- und Trinkflaschenwaschen war dann der unangenehme, aber wichtige und notwendige Teil. Nun heißt es genießen, regenerieren am Pool, bevor es zum Abendessen geht. 

Morgen setzen wir um ins Zeltlager, es ist eine Transferetappe – sicher ein langer Tag im Sattel, bei 130 km und 2000 hm erwarten wir eine Fahrzeit von ca. 6 Stunden! Mal sehen, was der Internetempfang und die Lust zum Schreiben machen – ihr hört von uns!