Sonntag, 26. Oktober 2025

Brasil Ride Bahia Etappen 4-5-6-7

Auch wenn ich mir fest vorgenommen hatte, jeden Tag einen Bericht zu schreiben, war dies diesmal aufgrund der gesamten Situation nicht realisierbar. Seht es mir nach, die Wetterbedingungen hier beim Brasil Ride Bahia 2025 stellen alles bisher Erlebte in den Schatten. 

Nachdem Etappe 3 vom Veranstalter kurzerhand gecancelt wurde, aufgrund der extremen Regenfälle, sollte jedem klar sein, dass hier tatsächlich die Welt kopf steht. So ein durchorganisiertes Etappenrennen während die Veranstaltung bereits läuft, Zeitplan technisch derart zu ändern, stellt alle im Organisationsteam vor sehr große Herausforderungen! Zumal die Infrastruktur im Land selbst nicht mit unserer zu vergleichen ist! Hier kann man nicht einfach ein paar LKW's und ein paar Busse bestellen, die behelfsmäßig das gesamte Fahrerfeld zum nächsten Spot shutteln. So kam es dann, dass die 4. Etappe als Überführungsetappe ins Zeltlager diente, bereits beim vorabendlichen Streckenbriefing wurde kundgetan, dass die Gegebenheiten extrem sind und abschnittsweise von der originalen Strecke aufgrund dessen abweicht. Der Startschuss fiel dann früh 7 Uhr und die hoch motivierte Meute machte sofort ernst, fürchterliche Wattorgien in den ersten Kilometern. Die 125 km lange Strecke, gespickt mit gut 2000 Höhenmeter selbst hatte dann im Grunde wenig mit wirklichen Mountainbiken zu tun, gefahren wurde auf größtenteils sehr schlechten Sandwegen. Eben diese Wege oder Straßen sind hier Hauptverkehrsadern - unvorstellbar für uns! Wasser und Schlamm aus allen erdenklichen Richtungen setzte uns und den Rädern mächtig zu! Gut in Erinnerung geblieben ist mir dann eine Schiebepassage Uphill, welche aus einer Lehmfahrbahn bestand etwa 600m lang. Die Reifen unserer Räder wurden immer größer und schwerer, hätten wir doch unsere Bikes tragen und nicht schieben sollen. So standen wir auf dem höchsten Punkt und Eric's Vorderrad drehte sich nicht mehr, weil seine Gabelbrücke voller klebrigem Lehmdreck war. Ein Glück hat Eric dies geahnt und nahm von Frühstücksbuffet einen Esslöffel mit, dieser kam nun zum Einsatz! 

Nach knapp über 6h Fahrzeit erreichten wir - mehr als glücklich - das Zeltlager in Guaratinga. Gezeichnet von unvorstellbaren Mengen an Schlamm. Da Eric's Gabel auf dieser Etappe ihren Dienst quittierte, ging es für ihn zum Servicestand, um eine Revision durchführen zu lassen und für mich zum Waschplatz der Räder. Schweren Herzens musste ich mein Rad abgeben und Kärchern lassen. Dann bezogen wir unser Zelt, hier hatten wir sehr großes Glück, weil Eric bei der Anmeldung ein Häkchen bei "Premium Zelt" gemacht hat, was nur wenig Aufpreis kostete, aber einen enorm großen Benefit für uns hatte! So hatten wir ein bedeutend größeres Zelt, Beleuchtung, Steckdosen, Tisch + 2 Stühle, Ventilator, Feldbett, Matratze, Fleecedecke und Handtücher! Die einfachen Zelte hatten nicht einmal Matratzen, Isomatten oder Decken! Alles richtig gemacht! 
Die Duschen und WC's waren in Containerbauform, sehr ordentlich und es wurde nach JEDEM Dusch- oder Toilettengang vom Personal gereinigt! Einzig das Wasser sollte man wohl nicht inhalieren, es wurde explizit erwähnt, dass dies kein Trinkwasser sei. Der Höhepunkt für mich war dabei die Warmwasserbereitung per elektrischem Duschkopf, dass dies funktioniert und nicht ungewöhnlich ist, war mir klar. Die Ausführung der elektrischen Anschlüsse selbiger war dann aber nicht nur abenteuerlich, ich würde sagen lebensgefährlich. Allein über die Stromversorgung im Zeltlager könnte ich einen ganzen Blogeintrag schreiben, unvorstellbar, wie hier eine temporäre Stromversorgung installiert wurde! Als Handwerker / Elektriker mit Leib und Seele konnte ich stellenweise meinen Augen nicht trauen und habe im Anschluss unserer Reise im Fachkollegenkreis viel zu erzählen! 

Die Zielverpflegung im Zeltlager war dann eher dürftiger Natur, so sind wir nach dem reinigen sämtlicher Rennutensilien zum extra aufgebauten Küchenzelt Pasta essen gegangen, natürlich per Selbstzahler. Man muss sich allerdings wundern, dass selbst hier im wirklichen Niemandsland fernab jeglicher Infrastruktur per Kreditkarte bezahlt werden konnte... Da hängen wir zu Hause hinterher. Für mich das größte Manko am Zeltlager war das fehlende Internet, bei einer Veranstaltung diesen Formates ein absolutes Unding kein WiFi, zumindest partiell, zur Verfügung zu stellen! Danach ging es zur Wartung meines Rades, fast jeden Tag waren hier selbst die Sintermetallbeläge runter, mit Resinmischung wäre man sicher nicht bis ins Ziel gekommen! Weitere Beachtung gilt den Stand- und Tauchrohren bzw. deren Dichtungen der Federelemente und der Antrieb wird penibelst gesäubert, geölt und nachjustiert sowie die Akkus der Schaltwerke und Sattelstützen geladen. 

Bevor man sich versieht, ist so 18 Uhr und schon Zeit fürs gemeinsame Abendessen, ein riesiges Hoch modernes Zelt mit LED Leinwand und LED Beleuchtung wurde hier extra dafür aufgestellt. Beim Abendessen selbst ließ der Veranstalter sich nicht lumpen und fuhr feinste Leckereien auf, diese frisch im dahinter stehenden Cateringzelt hergestellt wurden. Das Abendprogramm umfasste dann eine Videozusammenfassung der absolvierten Etappe, Streckenbriefing für den nächsten Tag und die Siegerehrung. Dann folgte bereits die Nachtruhe, Dank Upgrade Zelt mit Feldbett ganz komfortabel! Der nächtliche Regen störte mich dabei wenig, mein Häuschen war dicht und dank Ohropax schlief ich bestens.

Die 5. Etappe begann mit Frühstück im Cateringzelt, es blieben auch hier keine Wünsche offen, so gab es Bäcker Brötchen ähnlich wie wir es von Zuhause kennen - ein guter Start in den Tag! Der Regen ließ nicht nach, und es versprach wiederholt eine Schlammschlacht zu werden, genau das was wir eigentlich nicht wollen - aber nun sind wir ja hier. Die Eckdaten der als Queenstage ausgeschriebenen Etappe waren dann bereits sportlich, 101 km gespickt mit 2400 hm unter diesen Bedingungen ein echter Brecher! Die Strecke wurde laut Briefing etwas optimiert, um die Gegebenheiten etwas zu entschärfen - wir haben davon nichts mitbekommen! Von unserem Zeltlager aus konnte man bereits die Bergsilhouette im Hintergrund erkennen, dort führte unser Track hin. Wir fuhren durch abgelegene Dörfer und kleine Städte gefühlt weit abseits sämtlicher Infrastruktur, wo sich sicher noch kein Tourist groß hin verirrt hat. Große Teile der Strecke führten auch hier wieder über Feldwege / Gravelroads oder Kuhweiden mit Trampelpfaden. Ich dachte bereits bei unserem Swiss Epic Abenteuer letztes Jahr das ich viele Kuhhaufen "mitgenommen" habe, übertrifft auch dies hier bisher alles erlebte. Mich wundert es eigentlich ein bisschen, dass wir keine Magen / Darm Probleme hatten, immerhin haben wir täglich Stunden lang Schlamm, Pfützenwasser und immer wieder Tierkaka Haufen durchfahren, was unweigerlich auch seinen Weg ins Gesicht fand. Der Knackpunkt dieser Etappe war ein 400 Höhenmetern Anstieg am Stück, welcher tatsächlich sehr steil und fahrtechnisch doch recht anspruchsvoll war. Hier konnten wir dann ganz gut glänzen und sind sehr gleichmäßig und kontrolliert hoch gekommen. In solchen Passagen spürt man jedes Kilo welches man mitschleppen muss, da wir hier zu den eher kleineren und leichteren Fahrern zählen gelang uns das ausgezeichnet. Ich bin der Meinung, dass sich in dieser Passage einige Fahrer zu sehr die Lichter ausgeschossen haben und dies in den folgenden Tagen zu spüren bekommen haben. Der Regen hielt natürlich an und wir freuten uns auf den Downhill, dieser war dann aber eine absolute Katastrophe! Wiederholt eine Fiehweide, links Stacheldraht, rechts Hang und mitten drin eine 4 Meter breite, knietiefe Schlammrinne in welcher nun völlig unkontrolliert ins Tal gerutscht werden musste. Wenn die Kühe dort sächsisch verstehen könnten, würden sie nun das gesamte Schimpfwort Vokabular kennen - wir hatten uns dort wirklich satt und haben uns über den Sinn des Ganzen gefragt. Der nächste Bach war dann unsere um wenigstens den Antriebsstrang etwas vom Schlamm zu befreien. Die restlichen Kilometer ins Ziel waren dann wieder geprägt von viel schlammiger Gravelroad in einer - was wir noch durch unsere Brille erkennen konnten - traumhaft schönen Landschaft! Aufgrund der Bedingungen hatte ich bereits seit Mitte dieser Etappe Schwierigkeiten mit meinem Schaltwerk, es arbeitete nicht mehr sauber, aber wir kamen überglücklich mit Platz 4 ins Ziel! Eine längere abendliche Inspektion behob zwar die Schaltungsprobleme, aber die Ursache dafür war mir zu dem Zeitpunkt nicht klar.

Die Etappe 6 war dann die Überführungsetappe zurück zum Startort Arraial da Arjuda direkt an der Küste und wie sollte es anders sein - es regnete. Wir sind die gleiche Route gefahren wie bereits 2 Tage zuvor, jedoch in umgekehrter Richtung, mit dem Unterschied das der Schlamm diesmal bedeutend Flüssiger war. So hatten wir an diesem Tag seit den ersten Kilometern mit Sichtproblemen durch unsere klaren Brillen zu kämpfen. An den Verpflegungspunkten war es eigentlich verboten mit der hier so knappen Ressource Trinkwasser, Brillen abzuspülen, stellenweise durfte man es trotzdem. Wir beide fuhren mit Trinkrucksack, ich mit Iso-Mischung und Eric mit Trinkwasser - dies ermöglichte uns während der Fahrt auf gerader Strecke immer mal wieder die Gläser zu säubern. Die Strecke von 130 km mit 1700 Höhenmetern wollte einfach kein Ende nehmen, die Wasserlöcher welche durchfahren werden mussten wurden immer größer und unsere Lust, die Fahrräder dort jedes mal aufs neue bis zum Flaschenhalter und tiefer zu versenken, sank gegen Null! Bei meiner Brille fiel dann unglücklicherweise auch noch ein Bügel ab, sodass ich die letzten 30 km ohne fahren musste - fürchterlich! Wasser, Dreck, Sand in den Augen, alles sieht man nur noch verschwommen oder muss lange blinzeln bis wieder Sehschärfe einsetzt. Noch dazu schaltete mein Schaltwerk schlechter denn je, ich war über jeden Gang froh der halbwegs drin blieb und so kam es dann das etwa 300m vor der Ziellinie auf gerader Strecke der innere Käfig meines Sram XO1 AXS Schaltwerks brach und ich so nicht mehr treten konnte. Ich rannte zu Eric, hielt mich an seiner Trikotage fest und er zog mich bis zum Ziel! Was ein Finish! Überglücklich und auch etwas stolz konnten wir an diesem Tag den 3. Platz in der Open Men Wertung erreichen.
Ein Ersatzschaltwerk hatten wir - und das muss man so sagen - wirklich dummerweise nicht dabei, Zuhause auf der Werkbank schläft das hier so ersehnte Ersatzteil. Glücklicherweise war im Nachbargarten ein große improvisierte Service Werkstatt für den Brasil Ride. Mit mehr Glück als Verstand konnte ich hier unter dem Ladentisch mit unserer Währung einen gebrauchten aber intakten Käfig für akzeptables Geld bekommen. Welch ein Glück, wir waren somit wieder im Rennen! Die Montage erfolgte zügig, jedoch war mir auch hier noch nicht ganz klar warum der Käfig gebrochen war. Alles neu justiert und eingestellt und das elektronische Schaltwerk ging wieder wie am ersten Tag! Zusätzlich fanden natürlich auch nochmal neue Bremsbeläge den weg in den Bremssattel! Jeden Tag mussten die Reibpaarungen getauscht werden bei diesen Bedingungen. Die Siegerehrung erfolgte am Abend in der traumhaft schönen Kulisse des Kirchplatzes von Arraial da Arjuda, für mich ein toller Moment, der die ganze Katastrophe mit diesen Wetterkapriolen kurz vergessen macht.

Für die 7. und damit abschließende Etappe versprach mir Eric dann trockenes Wetter, dem war natürlich nicht so. Bereits beim Frühstücken regnete es wieder aus vollen Kannen. Die Stecke dafür überschaubar, 48 km mit etwa 500 Höhenmetern und einem hohen Singletrailanteil wurde versprochen. Wie immer stürzte die Masse direkt nach dem Startschuss fürchterlich vorwärts, am ersten Anstieg spürte man aber das einige fertig hatten, erstaunlicherweise konnten wir noch ganz gut Watt stehen lassen und so hielten wir, für unsere Verhältnisse, straff drauf um so möglichst weit vorn in die Trails einzustechen. Dies gelang uns auch ausgesprochen gut, erstmalig nach der 1.Etappe waren auch wieder Trails dabei welche Spaß machten. Klar nasse Wurzeln und Holz muss man mögen, das war aber schon Mountainbiken wie wir uns das wünschen. Da der fahrtechnische Anspruch nie sehr hoch war, musste man aber trotzdem äußerst genau die Linie wählen und fokussiert sein, um keine Wurzel falsch zu treffen. Nach etwa 10 km signalisierte Eric mir, dass seine Vorderradbremse ohne Funktion ist, dies aber kein Problem wäre, da es hier ja fast nur geradeaus geht - unglaublich der Mann :-). Mein Schaltwerk schaltete erneut unsauber, an einem Verpflegungspunkt sah ich nach und entdeckte den Fehler, das obere Schaltlaufröllchen verschob sich auf seinem Kugellager somit stimmte die Flucht zur Kassette nicht mehr genau und schon funktionierte das gesamte System nicht mehr. Mit etwas drücken, gelang es mir das Umlenkröllchen wieder mittig auf das Kugellager zu drücken und schon funktionierte alles wieder. Diesen Ablauf habe ich dann bis zum Ziel noch 2 mal machen müssen um halbwegs akzeptabel schalten zu können. Nach so vielen Tagen kannte man sich dann etwas im Fahrerfeld und wir wussten das wir wiederholt auf Platz 3 lagen, das vor uns in Sichtweite fahrende Trikot Platz 2 ist... wir konnten aufschließen und hatten an diesem letzten Tag anscheinend noch mehr Reserven im Tank. Wir sprachen uns taktisch ab, erstmal hinterher zu fahren, um im richtigen Moment drauf zuzuschlagen. An einer der letzten steilen Rampen kurz vor dem Ziel bockte dann wieder mein Schaltwerk und ich musste es richten, um es nicht ganz zu zerstören. Der Zug nun nach vorn abgefahren nahm ich die Verfolgung auf, tatsächlich waren wir am allerletzten Berg wieder am Hinterrad der Zweitplatzierten dran, dann meldeten sich aber Eric's Beine mit Krampfansätzen und so ließen wir es unversucht nochmal anzugreifen. Zumal die Zieleinfahrt nochmal recht steil auf Pflaster bergab geht und Eric nur noch seine Hinterradbremse hatte.
Unmittelbar vor der Ziellinie, dann nochmal 200 Meter komplette Überflutung der Dorfstraße wegen Hochwasser, wir hielten drauf und fuhren durch. Im Ziel dann die Gewissheit von einem erneuten Platz 3! Zielverpflegung gab es fast keine, sodass wir sofort in unser Hotel sind, um zu duschen. Am Abend gab es dann ab 19 Uhr eine riesige Abschlussparty mit Abendessen, Rahmenprogramm und Siegerehrung in wiederholt toller Atmosphäre! Was durfte aber auch dort nicht fehlen? Richtig Regen! Eine zornige Gewitterzelle entleerte sich genau während der gesamten Siegerehrung über Arraial und sorgte für fürchterliche Überschwemmung! Unser Dacia Duster Taxi zurück zum Hotel war dann mehr Boot als Auto - unvorstellbar!

Abschließende Worte nach diesem langen Text.

Wir genießen derzeit noch die Zeit am Pool, einen Tag nach dem Rennen bei 30 Grad und Sonnenschein. Unsere Räder zerlegt auf dem Balkon zum Austrocknen mit fürchterlichen Verschleißerscheinungen, dies bedarf zu Hause einer sehr großen Revision aller Teile und Austausch aller Lager und des kompletten Antriebes.
Eine wahnsinnig erlebnisreiche Zeit in Brasilien geht zu Ende! Auf- und abseits der Rennstrecke haben wir unheimlich viel gesehen sowie erlebt, viel dazugelernt und mitgenommen. Vielleicht kehre ich auch mit einem Stück Besonnenheit zurück, um wieder mehr zu schätzen und zu wissen, wie gut es uns zu Hause geht und wie privilegiert wir leben. 
Der Slogan des Brasil Ride Bahia lautet
- "not only a Race, it's a Stage of your life" -
ich denke passende Worte.